18.2.3.3 Vergleich der drei Varianten

Machen wir uns den Zusammenhang nochmal kurz graphisch klar. Die jeweils erste Graphik zeigt die Verhältnisse, wenn gar kein Referenzpunkt genannt ist. Die jeweils zweite Graphik zeigt die Situation, wenn Bericht und mentale Durchdringung nicht auseinanderdriften, bzw. wenn Bericht und Erzählung / Stellungnahme nicht auseinanderdriften.

1) Fall I: Du rauchst so viele Zigaretten, dass du an Krebs erkranken wirst.
1.c) Indirekte Rede: Er denkt, dass du so viele Zigaretten rauchst, dass du an Krebs erkranken wirst.

1.c) Zeitenfolge: Ich denke, dass du so viele Zigaretten rauchst, dass du an Krebs erkranken wirst.

2) Fall I: Du hast so viele Zigaretten geraucht, dass du an Krebs erkrankt bist.
2.b) Indirekte Rede: Er wird sagen, du hast so viele Zigaretten geraucht, dass du an Krebs erkrankt bist.

2.b) Zeitenfolge: Ich werde denken, du hast so viele Zigaretten geraucht, dass du an Krebs erkrankt bist.

3) Fall I: Wenn du Zigaretten rauchen wirst, wirst du an Krebs erkranken.
3.c) Indirekte Rede: Er sagt, wenn du Zigaretten rauchen wirst, wirst du an Krebs erkranken.

3.c) Zeitenfolge: Ich denke, wenn du Zigaretten rauchen wirst, wirst du an Krebs erkranken.

Wie deutlich zu sehen, ist eine Fallunterscheidung dann nicht zu treffen, wenn das einleitende Verb der geistigen Tätigkeit in einer Gegenwartszeit steht, weil dann der Zeitpunkt der mentalen Durchdringung und der Zeitpunkt des Berichtes überhaupt nicht auseinanderdriften. In diesem Fall sind lediglich die Regeln zu berücksichtigen, die wir im Kapitel die Vergangenheitszeiten im Französischen bereits kennen gelernt haben.

Gegenwartszeiten sind
présent
futur simple
futur composé
conditionnel présent

Die Zeitachse ist nur dann anzupassen, wenn das Verb der mentalen Durchdringung, bzw. das Verb, das die indirekte Rede einleitet, in einer Vergangenheitszeit steht.

Vergangenheitszeiten sind
imparfait
passé composé
passé simple
plus-que-parfait
conditionnel passé

Bevor wir die Problematik systematisch durchdringen, machen wir uns ersteinmal richtig klar, was das Problem ist. Unsere Überlegungen illustrieren wir anhand des unten stehenden Satzes.

Beispiel
Sie fällten den Baum. = Ils ont coupé l' arbre

Steht der Satz so alleine in der Landschaft, ohne ein Verb der mentalen Durchdringung und ohne ein Verb, das eine indirekte Rede einleitet, dann ist es allein der Berichtende, der das Ereignis mental durchdringt. Da es niemand anderen gibt, der das Ereignis mental durchdringt, ist der Referenzzeitpunkt schlicht egal. Das Bild ändert sich aber radikal, wenn jemand anderes den Vorgang mental durchdringt bzw. darüber berichtet, oder wenn der Erzähler selbst, den Prozess zu einem Zeitpunkt mental durchdringt, der von seiner Gegenwart abweicht.

Die unten stehende Graphik bringt die Sache nochmal auf den Punkt


Wir haben also drei Situationen. Der Vorfall kann sich vor der mentalen Durchdringung / vor dem Bericht, gleichzeitig zur mentalen Durchdringung / Bericht oder danach ereignet haben. Diese Chronologie der Ereignisse ist in den romanischen Sprachen, im Gegensatz zum Deutschen, richtig wiederzugeben, und im Gegensatz zum Deutschen, wo man die Chronologie eher erraten muss, als dass sie eindeutig festgelegt wird, sind die romanischen Sprachen auch in der Lage, die Chronologie richtig wieder zugeben. Wir arbeiten hinsichtlich der deutschen Übersetzung wieder mit einer didaktisch motivierten Hilfsübersetzung, die grammatikalisch falsch ist, aber der französischen Konstruktion entspricht.

Der Ursprungssatz ist folgendermaßen zu ändern
Vorzeitig
Il a cru qu' ils avaient coupé l' arbre. = Er glaubte, dass sie den Baum gefällt hatten.
Il a dit qu' ils avaient coupé l' arbre. = Er sagte, dass sie den Baum gefällt hatten.

Gleichzeitig
Il a cru qu' ils coupaient l' arbre. = Er glaubte, dass sie den Baum fällten.
Il a dit qu' ils coupaient l' arbre. = Er sagte, dass sie den Baum fällten.

Nachzeitig
Il a cru qu' ils couperaient l' arbre. = Er glaubte, dass sie den Baum fällen würden.
Il a dit qu' ils couperaient l' arbre. = Er sagte, dass sie den Baum fällen würden.


Hierzu gibt es nun zwei Bemerkungen zu machen. Die erste ist nur für linguistisch Interessierte relevant. Die andere Bemerkung ist für alle jene interessant, die ab und zu mal tiefer nachdenken und dann verwirrt werden.

1) Wie bereits im Kapitel die Vergangenheitszeiten im Französischen beschrieben, hat im gesprochenen Französisch das passé composé weitgehend die Funktion des passé simple übernommen, der klare Bezug zur Gegenwart ist verloren gegangen. Im Französischen zählt also das passé composé, in radikalem Gegensatz zum Italienischen oder Spanischen, zu den Vergangenheitszeiten. Im Spanischen zählt das pasado indefinido, respektive das passato remoto im Italienischen, zu den Vergangenheitszeiten, das pasado perfecto bzw. das passato perfetto jedoch, das dem französischen passe composé entspricht, zu den Gegenwartszeiten.

2) Wie wir sehen, hat das imparfait seine ursprüngliche Funktion völlig verloren. Baum fällen ist eine klar abgegrenzte Handlung, die Handlung wird nicht wiederholt, und wir haben auch keine Parallelhandlung oder sonst irgendetwas, was den imparfait rechtfertigen könnte. Der imparfait rechtfertigt sich allein durch seine Abhängigkeit von einem Verb der mentalen Durchdringung, bzw. weil das Referierte in der indirekten Rede steht. Seine einzige Funktion in diesem Zusammenhang ist es, die Gleichzeitigkeit auszudrücken. Auch der Konditional hat in diesem Zusammenhang eine völlig andere Bedeutung. Er verweist nicht mehr auf die Tatsache, dass das Beschriebene von einer Bedingung abhängt, sondern auf die Zukunft aus Sicht der Vergangenheit.




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