8.2.2.7.2 Wunsch, Befürchtung, Hoffnung, Ziel

Wenn wir ein Ereignis beschreiben, das in der Gegenwart gewünscht, befürchtet, erhofft wird, dann steht im Deutschen, im Gegensatz zum Französischen und allen anderen romanischen Sprachen, der Indikativ. (hoffen ist diesbezüglich eine Ausnahme, hier konstruiert auch das Französische mit dem Indikativ, in krassem Gegensatz etwa zum Spanischen.)

Beispiel
Ich hoffe, dass er kommt.
Er sagt es dir, damit du es weißt.
Ich fürchte, dass er krank ist.

Wird ein Ereignis beschrieben, das in der Vergangenheit gewünscht, befürchtet, erhofft wurde, dann kann auch im Deutschen der Konjunktiv II stehen. Ob er verwendet wird oder nicht, hängt wohl vom Verb ab, ob der Konjunktiv II dem Sprecher bekannt ist oder nicht, ob er ihn als gestelzt empfindet oder nicht. Man könnte vermuten, dass zwischen einer Situation, in der sich das gefürchtete, erhoffte Ereignis realisiert hat und einer Situation, in der sich das befürchtete, erhoffte Ereignis nicht realisiert hat, unterschieden wird. Tatsächlich ist dem aber nicht so. Der Konjunktiv II kann auch verwendet werden, wenn sich das Ereignis realisiert hat, also eben keine Irrealität vorliegt. Bei einer Zuspitzung der Fragestellung, kann man also feststellen, dass auch der deutsche Konjunktiv, ganz wie in den romanischen Sprachen, den subjektiven Charakter der Schilderung der Ereignisse zum Ausdruck bringt und zwar nicht nur in der indirekten Rede.

Das Ereignis hat sich realisiert
Ich hoffte, dass er käme, und tatsächlich kam er dann auch.
Ich hoffte, dass er kommen würde, und tatsächlich kam er dann auch.*
Ich hoffte, dass er kommt, und tatsächlich kam er dann auch.
Ich wünschte mir, dass wir mehr Geld hätten, und prompt haben wir im Lotto gewonnen.
Ich wünschte mir, dass wir mehr Geld haben würden, und prompt haben wir im Lotto gewonnen. *

* Das würden kollidiert mit der Wiedergabe der Zeiten in der consecutio temporum, der Zeitenfolge, davon später. Kurz: Der Satz ist doppeldeutig. Es kann ein Ersatz für einen schwerfälligen Konjunktiv II sein, aber auch aus der Sicht der Vergangenheit auf Zukünftiges verweisen. Man vergleiche:

Ich hoffte, dass er kommen würde, aber er war nicht da. => Beschreibung der Nichtrealisierung des Ereignisses.
Ich hoffte, dass er kommen würde, und tatsächlich kam er dann auch. => Beschreibung eines zukünftigen Vorganges aus der Sicht der Vergangenheit.

Wir sehen also, dass der deutsche Konjunktiv, wie der französische subjonctif, die Tatsache in den Vordergrund stellt, dass die Wirklichkeit subjektiv bewertet wird, weil ein Ereignis erwünscht, befürchtet, angezweifelt wird. Wenn man aber immer wieder liest, dass der Konjunktiv II im Deutschen Irrealität ausdrückt, so ist dies offensichtlich falsch, entspricht nicht dem tatsächlichen Sprachgebrauch. Nicht die Irrealität ist entscheidend, sondern, wie im Französischen auch, die subjektive Einstellung. Das Deutsche hat es hier nicht zu einem geschlossenen System gebracht, weil die chaotische Morphologie dem entgegen stand, ansatzweise ist es aber vorhanden, zumindest in der Vergangenheit. In der Gegenwart konstruiert das Deutsche allerdings nie mit einem Konjunktiv, in krassem Gegensatz zum Französischen.

Ich wünsche mir, dass er kommt.
nicht: Ich wünsche mir, dass er käme.

aber

Ich wünschte mir, dass er käme (und er kam tatsächlich).
nicht: Ich wünschte mir, dass er kam.



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